Expedition ins Unterbewusstsein – Working Out Loud
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Almut´s Anecdotes http://almutsanecdotesenglish.blogspot.com/
Da die Ausbildung in Englisch erfolgt, hier die Übersetzung von links oben nach rechts unten: "Wenn du Bedenken hast, mache Babyschritte"-"Bereitschaft zu Experimentieren und zu Lernen"-"Praktiziere/Entdecke"-"Selbstlernen-proaktiv"-"Mache die Ziele innerhalb und außerhalb der Firma sichtbar"- " Vertrauen" - "Schreibe interessante Dinge in dein Profil"-"Circles-Besprechungskreise"-"Teile Wissen, verbinde dich mit anderen und trage zum Netzwerk bei" |
Letzte Woche Freitagnachmittag, es ist gegen Ende der fünften interaktiven Telefonkonferenz mit 30 internationalen Teilnehmern der WOL-Mentorclass, die zu Trainern ausgebildet werden sollen.
Es ist totenstill in der Leitung,
keiner tippt etwas in den Chat, keiner sagt etwas. Es ist so, als ob die Welt
kurz angehalten wurde. John Stepper, der die WOL-Methode weiterentwickelt hat
und uns durch das Programm leitet, stellt uns eine Aufgabe, mit der keiner von
uns gerechnet hatte. Jeder solle in den nächsten zwei Wochen etwas über die
Erfahrungen mit WOL oder dem eigenen Ziel posten, möglichst 500 Wörter.
Schlagartig fiel mir eine Szene
aus meiner Schulzeit ein, in der unsere Kunstlehrerin die Aufgabe stellte, wir
sollten ohne Vorlage (Handys gab es noch nicht) eine Fahrradgruppe zeichnen.
Die Klasse reagierte erstmal mit einer Mischung aus Erstaunen und Stille. In
allen Köpfen ratterte es zwischen „kann ich nicht“, „habe ich noch nie
gezeichnet“, „bekomme ich das hin?“,„wie sieht mein Rad eigentlich aus?“ und
ging dann weiter über Gefühlszustände Angst vor Versagen, Resignation,
Verzweiflung, bis zu den erwarteten Empörungen, die der Mutigste der Klasse
formulierte, dass das wohl zu viel verlangt sei, das können die meisten
überhaupt nicht, ganz abgesehen davon, dass die Aufgabe Menschen zu zeichnen
schon schlimm genug sei….
Weiterhin erinnerte ich mich
daran, dass einige in der aktuellen Mentorclass wohl auch diesen Filter im Kopf
hatten „habe ich das jemals gemacht? Ist das gut angekommen? Ist das im
beruflichen Kontext überhaupt sinnvoll? Was sagen die anderen dazu, wenn ich
das tun würde? Formuliere ich gut genug? Ich bin doch kein Autor wie die
Profis.“ Diese Frage wurde John Stepper gestellt. Er wiederholte wie in allen
anderen Trainings davor, dass es nicht auf Perfektion ankomme. Gleichzeitig
wissen wir alle, welche hervorragenden Posts von unseren oberen Etagen
alltäglich ins interne Netz oder in die öffentliche Presse fluten, was oft so
leicht formuliert klingt. Viele würden sich daran messen. Einige äußern weitere
Bedenken, was die direkten Vorgesetzten denn davon denken, wenn wir uns über
die Ausbildung äußern würden. Im Gegensatz zu Amerika ist „show up“ hier in
Deutschland doch nicht ganz so üblich.
Im weiteren Verlauf teilt eine
Teilnehmerin ihre Erfahrung, dass selbst die professionellen Schreiber Bedenken
haben, ob ihr Text gut verständlich und firmenkonform sei. Jeder dieses
Hindernis beim Schreiben kenne, egal in welcher Hierarchie-Ebene.
John Stepper wiederholt, dass ein
persönliches Erleben weder falsch noch richtig sei kann und wenn einer unsicher
sei, dass es Auswirkungen auf seine berufliche Position habe, ob intern oder
öffentlich, kann er gewisse Dinge aussparen. Andere fragen an, ob John vorher
über die Entwürfe drüber schauen könne, bevor sie öffentlich gepostet werden.
Wieder ein Filter von früher aus der Schule und oder Studium/Ausbildung: wir
haben gelernt, dass es immer jemand gibt, der etwas besser als wir kann und uns
korrigiert. Es geht viel um das Thema
„korrekt sein“ und keinen Fehler und „nichts Falsches in die Welt zu setzen.“.
Hingegen andere überlegen, welche Fakten von WOL denn gepostet werden könnten.
John holt uns wieder gedanklich
aus dem Karussell heraus: „Was ihr einem Freund davon erzählen würdet, rein
persönlich.“ Einige diskutieren, ob es sinnvoll sei, nur positiv zu schreiben.
Auch das erscheint mir auf den ersten Blick wie ein Filter aus den erlebten
Erfahrungen. Wir befinden uns in einem Piloten, d.h. in einem Testprogramm, welches
ein Konzept und Vorbild für weitere Ausbildungen in der Richtung ermöglichen
soll. Bei Prototypen gibt es keine Fehler, sondern nur
Verbesserungsmöglichkeiten und Feedback. Es gibt kein richtig oder falsch, wir
haben ein gemeinsames Ziel „spread WOL-circles“/WOL Zirkel weiter bekannt zu
machen. Jeder darf das auf seine eigene persönliche Art und Weise tun, so wie
es John vorlebt. Die Mittel nutzen und auch mal was ausprobieren, von dem man
denkt, dass man kein Talent dazu hat. Etwas ausprobieren und Aha-Effekte
sammeln, die Vertrauen für den nächsten Schritt aufbauen.
Im Prinzip erlebte die Reaktionen
so facettenreich wie damals in der Schule. Erworbene Filter, die uns alle in
unserer Erwartungshaltung und unserer Erfahrungswelt tagtäglich begleiten
können:
- Ist es ein Thema, das ich schon mal hinbekommen habe? War ich damals erfolgreich damit, was haben die anderen darüber gesagt? Ist es wertgeschätzt worden oder haben andere darüber gelacht?
- Glaube ich über mich selbst, dass ich das Talent habe, diese Aufgabe anzugehen?
- Wenn ich die Aufgabe noch nie angegangen bin, was muss ich tun, um sie möglichst perfekt und ohne Fehler auszuführen?
- Selbst wenn ich das tue, xy macht das bestimmt besser als ich. Habe ich nicht gerade wichtigere Dinge zu erledigen? Solche Gedanken führen dann manchmal zur allseits bekannten Aufschieberitis/Prokrastination 😊
- Motivation, die Aufgabe als Herausforderung anzugehen, nach dem Motto: Wird schon irgendwie werden, das Selbstvertrauen zu haben: irgendjemand wird es hinterher schon gefallen.
Ich persönlich finde den
Vergleich mit Kunst sehr passend:
Man kann es nicht allen recht machen.
Die Einen finden eine
Farbkombination als schreiend, die anderen fühlen sich davon belebt, die einen
stören sich an der falschen Perspektive, den anderen gefällt gerade dieser
besondere Stil. Picasso würde jeder erkennen, da er einen eigenen Stil
entwickelt hat. Genau das ist das Erleben in dieser Ausbildung: jeder ist
individuell, die anderen gibt es schon, entwickle dein eigenes Potential der
Möglichkeiten. Sicherlich gibt es Dinge, die müssen so oder so ausgeführt
werden, damit es funktioniert. Jedoch in der Kür und Ausführung gibt es
ungeahnte Möglichkeiten.
Daher ist es sehr wichtig, sich
mit diesen vielen unterbewusst gespeicherten Erfahrungen in der Vergangenheit
zu beschäftigen. Ich selbst erwische mich bei dem Gedanken, dass ich wohl
wieder einen Roman schreiben werde und „nicht auf den Punkt kommen werde“ und
überlegte mir schon, wie ich schön zusammengefasst werbungswirksam die Fakten
der Methode in diesem Blog unterbringen kann. Das ist das, was von mir auch in
meinem Job als Assistenz gefordert wird. Nichts Ausschweifendes, auf den Punkt
kommen, kurz und knapp. Am Besten noch „quantifiziert“ für unsere
wissenschaftlichen Kollegen, die Zahlen und Dokumentationen lieben 😊.
Genau dieser Gedankengang bringt
mich in Schwierigkeiten: wie anfangen, was zuerst reinbringen? Auf der längeren
Bahnfahrt in den Schwarzwald zu meinem nächsten Fasnetsumzugsfilmen (zu sehen
irgendwann in Youtube im Kanal sommeradler) tue ich mir schwer. Um mich herum
schreiben oder tippen die Reisenden eifrig und konzentriert. Ein Blick auf die
Kurzbeschreibung von WOL in Englisch, was die Kriterien von WOL sind. Will ich
jetzt einfach „nachplappern“, was bereits auf der offiziellen WOL Seite steht?
Hm, das Bauchgefühl meldet etwas anderes. Ein Leser möchte meine Erlebnisreise
und Einstellung wissen und nicht, was die Fakten sind. Wie bei einer
Auslandsreise: den Reiseführer kann man sich runterladen, die persönlichen
Reiseerlebnisse und -erfahrungen sind entscheidend.
Die Gedanken schweifen ab, die
ersten zwei Sätze schreibe ich immer wieder um. Nee, das ist es nicht…der erste
Satz muss mitreißen und neugierig machen, spukt mir durch den Kopf. Plötzlich
kommt der entscheidende Gedankenblitz: bleibe bei nur bei den Erfahrungen, es
kommt kein Auditor vorbei und verlangt, wo du diese oder jene Aussage belegen
kannst.
Selbst wenn ich ein Detail
vergessen sollte, so weiß das der Leser nicht. Die Erfahrung habe ich
inzwischen bei einigen meiner Youtubefilme gemacht. Für alle: Achtung, hier
kommt eine kleine Anekdote außerhalb des Themas, die ich gerne teilen möchte:
Während der WM2014 in der
vollbesetzten Commerzbankarena während des Public Viewings hatte mit meinen
Jungs eine Wette abgeschlossen, dass ich nur mit dem Filmen der Reaktionen während der Deutschlandspiele mehr
als 20.000 Klicks im youtube Kanal babbelwasser99 bekommen werde. Daher habe ich auch einen jungen Mann
gefilmt, der vor lauter Freude über ein Tor für Deutschland gegen Brasilien
eine grandiose Rapeinlage mit Drehung auf dem Boden absolvierte. Hinterher fragte
ich ihn, ob er mit einer Veröffentlichung einverstanden sei. Er freute sich
riesig auf die Aussicht, dass er seine Freudeeinlage inmitten der jubelnden
Menschenmenge bald mit anderen teilen kann.
Daraus wurde nichts. Da ich
selbst so gejubelt hatte, hatte ich den Startknopf versehentlich zweimal
gedrückt und damit versehentlich die Pausenfunktion ausgelöst. Für mich
persönlich war diese Tanzeinlage ein Höhepunkt des Abends und daher ärgerte ich
mich beim Schneiden enorm, als diese Szene fehlte. Im Laufe der Jahre passierte
dies das ein oder andere Mal wieder, weil manch eine emotionale Reaktion mit
Synapsenparty mit einer stabilen Kamerahaltung eigentlich gar nicht möglich
ist. Meine wichtigste Erfahrung hierbei: der Zuschauer weiß nicht um die
fehlenden Szenen.
Fazit: Nutze, was dir
zur Verfügung steht und teile dies.
Und selbst wenn du selbst darin
begrenzt bist, entstehen aus den Begrenzungen heraus wunderschöne andere Ideen
und Möglichkeiten. Wie sonst ist zu erklären, dass wir Kinderzeichnungen so
zauberhaft finden. Bestimmt nicht, weil sie perfekt aussehen 😊.
Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass selbst eine noch so kleine Bemerkung
oder Gedankengang für einen anderen DIE Lösung auf eine seiner Fragen
darstellt. Also wagen wir sie auszusprechen.
Erkenntnis: Finde deinen persönlichen Stil, Perfektion liegt im Auge des
Betrachters und ist oft sehr subjektiv, besonders wenn es sich um kreative
Dinge handelt.
Und worauf ich nun am meisten
gespannt bin: wie die anderen 30 Teilnehmer der Mentorclass nun diese
Herausforderung gelöst haben. Das Ziel von mindestens 500 Wörtern habe ich leicht
überschritten (1553 Wörter), ein ungebremster Gedankenflow ergibt einen halben Roman *lach*….
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